Wintertriticale und Winterroggen: Ergebnisse der Landessortenversuche 2023

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Erntereife Triticale

Die nordrhein-westfälische Anbaufläche für Wintertriticale geht weiter zurück und lag zur Ernte 2023 nur noch bei etwa 51.000 ha. Der Anbau von Winterroggen hingegen hat erneut deutlich zugenommen und erreichte mit etwa 43.000 ha den höchsten Stand seit über 30 Jahren. Die geringeren bodenklimatischen Ansprüche des Roggens und der sortenabhängig höhere Pflanzenschutzbedarf der Triticale könnten dazu beigetragen haben. Die diesjährige Ernte war in beiden Kulturen auch von Problemen geprägt.

Saison mit Schwierigkeiten

Wintertriticale und Winterroggen stehen oft auf den schwierigeren Standorten, auf denen sich Weizen nicht zuverlässig anbauen lässt oder am Ende der Fruchtfolge. Die insgesamt eher enttäuschende Ernte bei Wintertriticale und die überwiegend durchschnittlichen Erträge im Winterroggen lassen sich auch auf diesen Umstand zurückführen. Beide Kulturen entwickelten aufgrund der warmen Herbstwitterung und auch bei normalen bis späteren Aussaatterminen sehr dichte Bestände. Diese reduzierten während des relativ kalten und feuchten Frühlings oft umso stärker und litten darüber hinaus unter einem höheren Krankheitsruck. Wintertriticale zeigte besonders in anfälligeren Sorten einen frühen und starken Befall mit Mehltau und/oder Rhynchosporium. Beim Winterroggen hingen dominierten Rhynchosporium und Braunrost, der sich bereits im Herbst in den Beständen etablieren konnte und daher im Frühling einen gezielten Fungizideinsatz erforderte. Davon unabhängig zeigte sich im weiteren Saisonverlauf, dass die feucht-warme Herbstwitterung auch zu einer stärkeren Infektion mit Fußkrankheiten und insbesondere Schwarzbeinigkeit beigetragen hat. Der kalte und nasse Frühling und die anschließende Trockenphase begünstigten die Schadwirkung. Auch einige Roggenbestände waren deutlich betroffen, obwohl dieser im Vergleich zur Wintertriticale als deutlich weniger empfindlich gilt. Die witterungsbedingt oft verzögerte organische Düngung und eine infolge des kalten Frühlings relativ späte Mineralisation trugen ebenfalls dazu bei, dass sich vor allem die anspruchsvollere Triticale nicht optimal entwickeln konnte.

Die insgesamt größere Herausforderung in der Saison 2023 war allerdings die Ernte: Nur etwa 20% der Wintertriticale und nicht mehr als 15% des Winterroggens waren in den westfälischen Anbaugebieten geerntet bevor ab dem 24. Juli anhaltende Niederschläge zu einer fast 3-wöchigen und vollständigen Ernteunterbrechung führten. Auch anschließend verlief die Ernte nur langsam, da weitere Regenfälle und eine insgesamt kühlere und feuchtere Witterung eine rasche Abtrocknung der Bestände und der Böden verhinderten. Wintertriticale ist bekannt für ihre hohe Auswuchsneigung: Anders als bei Weizen, bei dem das Korn erst nach der Hartreife zur Keimung übergeht, kann sich Auswuchs bei Triticale direkt aus milch- oder gelbreifen Körnern entwickeln. Dieser und damit verbundener Ausfall führten mit zunehmender Ernteverzögerung zu deutlichen Ertrags- und Qualitätsverlusten. Bestände die zusätzlich ins Lager gingen zeigten teilweise auch Durchwuchs, der zu erheblichen Problemen bei der Ernte führte. Winterroggen erzielte häufig noch befriedigende Erträge, obwohl auch dieser von Lager, Auswuchs und Ausfall betroffen war und überwiegend keine guten Qualitäten mehr erreichte. Probleme und Verluste ergaben sich auch beim Roggen vor allem bei früh lagernden Beständen. Mutterkorn trat nur vereinzelt auf und ließ sich überwiegend auf die verzögerte Blüte und Zwiewuchs infolge von späten Überfahrten zurückführen. Da ab dem 1. Juli 2024 neue Grenzwerte für Mutterkornsklerotien in unverarbeitetem Roggen gelten (0,2 g/kg statt 0,5 g/kg) könnte das Thema zukünftig wieder an Bedeutung gewinnen. Schwierigkeiten bei der Vermarktung ergaben sich allerdings auch bei der diesjährigen Ernte.

Ergebnisse der Landessortenversuche 2023

Als eine Reaktion auf die deutlich gestiegene Anbaufläche für Winterroggen wurde zur Ernte 2023 ein zusätzlicher Landessortenversuch auf Haus Düsse (Ostinghausen) etabliert. Dafür werden die nordrhein-westfälischen Versuche mit Wintertriticale ab der Ernte 2024 nur noch an 5 Standorten erfolgen.

Bei der Wintertriticale konnten die noch vor der niederschlagsbedingten Ernteunterbrechung geernteten Landessortenversuche auf Haus Düsse (116,2 dt/ha) und in Greven (108,4 dt/ha) ebenso ausgewertet werden wie die Versuche in Lage-Heiden (96,7 dt/ha), Möhnesee-Berlingsen (94,0 dt/ha) und Blomberg-Holstenhöfen (108,7 dt/ha), die erst im Anschluss gedroschen wurden. Auswuchs und Ausfall traten auf, blieben aber auf einem Niveau das die relative Sortenleistung nicht merklich verzerrt. Standardmäßig erfolgten die Versuche in zwei Pflanzenschutzintensitäten. Die mittleren Ertragsverluste durch den weitestgehenden Verzicht auf Pflanzenschutzmittel reichten von 7% in Lage-Heiden bis 23% in Möhnesee-Berlingsen. Die Ergebnisse aus den genannten Versuchen werden für die länderübergreifende Auswertung der Erträge nach Anbaugebieten mit Daten von insgesamt 4 weiteren Versuchsstandorten in Niedersachsen und Hessen ergänzt.

In den diesjährigen Landessortenversuchen mit Winterroggen wurden mit 117,0 dt/ha auf Haus Düsse, 112,2 dt/ha in Lage-Heiden und 106,8 dt/ha in Greven insgesamt durchschnittliche Erträge erzielt. Alle genannten Versuche wurden erst in der zweiten Erntephase gedroschen. Der weitestgehende Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmaßnahmen (Fungizide, Wachstumsregler) führte zu Ertragsverlusten von 20-37%. Diese resultierten sowohl aus dem Befall mit Blattkrankheiten als auch aus differenziert auftretendem Lager. Die Ergebnisse werden durch 6 Versuche aus Niedersachsen und Hessen ergänzt. Geprüft wurden insgesamt 7 Sorten, darunter eine Neuzulassung aus 2023 und ein Kurzstrohroggen.

Sortenempfehlungen für Wintertriticale

Die aktuell geprüften Wintertriticalesorten unterscheiden sich nicht nur im Ertragspotential, sondern auch sehr deutlich in den Sorteneigenschaften. Abgesehen vom Lombardo, besitzen alle empfohlenen Sorten eine besondere Schwäche, die bei der Anbauentscheidung und Kulturführung zu beachten ist.

Lombardo ist relativ kurz, winterhart und standfest und damit für den Anbau auf fast allen Standorten geeignet. Die Sorte reift mittel ab und erzielt mehrjährig durchschnittliche Kornerträge. Schwächen bestehen allerdings im Hinblick auf die Blattgesundheit: Lombardo ist relativ anfällig gegenüber Mehltau, Gelbrost und Blattseptoria und auch die höhere Anfälligkeit gegenüber Braunrost ist zu beachten.

Ramdam erbrachte in den ersten beiden Prüfjahren deutlich höhere Erträge als Lombardo, fällt seitdem aber zunehmend ab. Als eine mögliche Ursache lässt sich die scheinbar gestiegene Anfälligkeit gegenüber Mehltau, vor allem in Kombination mit einem kalten und feuchten Witterungsverlauf nennen, die zu Problemen in der Bestandsentwicklung führen kann. Ramdam ist frohwüchsig, relativ langstrohig und früh- bis mittelreif. Auch aufgrund der guten Braunrostresistenz wird die Sorte weiter empfohlen.

Rivolt erzielt durchschnittlich ähnliche Ertragsleistungen wie Lombardo oder Ramdam. Schwäche der Sorte ist die hohe Anfälligkeit gegenüber Gelbrost, die besonders bei frühem Befall einen gezielten Fungizideinsatz erfordert. Rivolt ist wie Ramdam etwas früher im Ährenschieben und in der Abreife, ebenfalls resistent gegenüber Braunrost und darüber hinaus weniger anfällig gegenüber Ährenfusarium.

Lumaco bleibt aufgrund der hohen und stabilen Ertragsleistungen und der guten Blattgesundheit eine Hauptempfehlung für alle Anbaugebiete. Die Sorte ist resistent gegenüber Mehltau und Gelbrost und darüber hinaus weniger anfällig für Braunrost und Ährenfusarium. Allein gegenüber Rhynchosporium scheint die Sorte anfälliger, obwohl sich der Befall 2023 nicht auf die oberen Blattetagen ausbreitete. Die besondere Schwäche von Lumaco ist die Lagerneigung, die besonders auf gut nährstoffversorgten Standorten eine angepasste Stickstoffdüngung und gezielte Wachstumsreglermaßnahmen erfordert.

Brehat ist gegenüber Lumaco noch etwas früher und ähnlich langstrohig. Die Sorte erzielte in einzelnen Versuchen ähnliche oder sogar höhere Erträge, scheint insgesamt aber deutlich weniger ertragsstabil und darüber hinaus lageranfälliger als Lumaco. Positiv zu bewerten ist die hohe Braunrostresistenz. Brehat bleibt eingeschränkt empfohlen für Betriebe die eine Alternative zu Lumaco bevorzugen.

Trias ist nur etwas länger und ähnlich standfest wie Lombardo und hätte aufgrund der durchschnittlich höheren Blattgesundheit das Potential zu einem Nachfolger gehabt. Allerdings kann die Sorte im ersten Prüfjahr nicht an die guten Ertragsleistungen in den vorhergehenden Prüfungen anschließen.

Tributo ist eine ausgesprochen späte Wintertriticalesorte mit einer breitwüchsigen Jugendentwicklung sowie einer geringen Auswinterungs- und Lagerneigung. Die Sorte ist darüber hinaus insgesamt sehr blattgesund. Tributo erzielte in den Mittel- und Höhenlagen durchschnittliche Kornerträge, konnte in den anderen Anbaugebieten aber bisher nicht überzeugen.

Sortenempfehlungen für Winterroggen

Ausgehend von den in den Landessortenversuchen und weiteren Sortenprüfungen ermittelten Erträgen scheint sich die Hybridroggenzüchtung in den letzten Jahren weniger auf die Ertragsleistung, sondern überwiegend auf eine Verbesserung der Anbaueigenschaften konzentriert zu haben. Da die meisten neueren Sorten auch eine bessere Mutterkornresistenz aufweisen bietet es sich besonders im Hinblick auf die verringerten Grenzwerte für Mutterkornsklerotien an, die eigene Sortenwahl zu überdenken.

KWS Serafino ist die (mit nur geringem Abstand) gesündeste aber auch die lageranfälligste der aktuell geprüften Winterroggensorten. Aufgrund der geringen Anfälligkeit gegenüber Mutterkorn wird die Sorte trotz etwas geringerer Erträge weiter empfohlen.

KWS Tayo erzielte in den Versuchen zur Ernte 2023 überdurchschnittliche Kornerträge und überzeugt darüber hinaus mit einer relativ guten frühen Blattgesundheit und mittleren Standfestigkeit und Strohstabilität. Auch gegenüber Mutterkorn besitzt die Sorte keine besondere Schwäche.

SU Perspectiv wird nach 3-jähriger Prüfung in den Landessortenversuchen ebenfalls bevorzugt für alle Anbaugebiete empfohlen. Die Sorte scheint im Herbst etwas frohwüchsiger als KWS Tayo und besitzt ein annähernd identisches Ertragspotential. SU Perspectiv ist relativ standfest, neigt aber stärker zum Halmknicken. Die etwas höhere sortenspezifische Anfälligkeit gegenüber Mutterkorn wird durch die standardmäßige Beimischung von 10% Populationsroggen im Praxissaatgut reduziert.

SU Karlsson wurde 2023 neu zugelassen und überzeugt bereits im ersten Prüfjahr mit insgesamt überdurchschnittlichen Erträgen in den nordwestdeutschen Anbaugebieten. Die Sorte ist relativ standfest aber etwas weniger strohstabil. SU Karlsson ist wenig anfällig gegenüber Mutterkorn.

SU Performer wird trotz des durchschnittlichen Ertragspotentials aufgrund seiner hohen Anfälligkeit gegenüber Mutterkorn und der unterdurchschnittlichen Standfestigkeit und Strohstabilität nicht mehr für den Anbau empfohlen. Zwar wird auch dieser Sorte im Praxissaatgut ein Anteil von 10% Populationsroggen beigemischt um das Mutterkornrisiko zu reduzieren, neuere Sorten sind aber besser bewertet.

KWS Tutor wird als Spezialsorte mit besonders hoher Mutterkornresistenz beworben, kann aufgrund der deutlich geringeren Kornerträge und insgesamt nur durchschnittlichen Anbaueigenschaften bisher allerdings nur bedingt überzeugen. Die Sorte wird weiter geprüft.

Durinos wurde als Kurzstrohsorte über einen Zeitraum von 3 Jahren geprüft. Die mehrjährig erzielten Erträge lagen allerdings deutlich unter denen der Standardsorten. Als spezielle Sorte mit sehr geringer Lagerneigung und hoher Strohstabilität und Mutterkornresistenz kann der Anbau für einzelne Betriebe interessant sein, eine Anbauempfehlung erfolgt allerdings nicht.

Autor: Johannes Roeb und Heinz Koch