Landessortenversuche Sommerweizen 2023

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Sommerweizen im Sortenversuch

Die Anbaufläche von Sommerweizen in Nordrhein-Westfalen hat sich zur Ernte 2023 auf etwa 2.300 ha reduziert. Das im Vergleich zum Wintergetreide geringere Ertragspotential, die witterungsbedingt späte Aussaatmöglichkeit und die neuen förderrechtlichen Vorgaben zur Mindestbodenbedeckung haben wahrscheinlich dazu beigetragen. Aufgrund der in diesem Herbst nicht immer erfolgreichen Etablierung des Wintergetreides ist zu erwarten, dass sich die Anbaufläche von Sommerweizen zur Ernte 2024 deutlich erhöhen könnte. Die tatsächlich mögliche Aussaat und die Sortenwahl werden allerdings durch die geringe Saatgutverfügbarkeit begrenzt.

Erst zu nass, dann zu trocken, dann wieder zu nass

Besonders für Sommerweizen war der Witterungsverlauf der Saison 2023 ein „worst case“: Aufgrund des feuchten Winters und der anhaltenden Niederschläge im Frühling erfolgten viele Aussaaten erst ab der zweiten Aprilwoche und selbst dann nicht immer unter optimalen Bedingungen. Die sich anfangs zögerlich entwickelnden Bestände gerieten ab der zweiten Maihälfte in eine anhaltende Trockenphase die dazu beitrug, dass selbst ausreichend bestockte Pflanzen fast sämtliche Nebentriebe reduzierten. Die aufgrund der zunehmenden Temperatur und Tageslänge beschleunigte Entwicklung und die ab Juni und in der ersten Julihälfte auftretenden Hitzephasen beeinträchtigten die Ährenausbildung zusätzlich. Die Kornfüllungsphase war kurz und von wenig Sonnenschein begleitet. Die aus dem Witterungsverlauf resultierende Kombination aus geringer Bestandesdichte, Kornzahl/Ähre und Tausendkornmasse führte zu gegenüber dem langjährigen Mittel deutlich reduzierten Erträgen. Krankheiten hingegen spielten in der Saison 2023 häufig nur eine untergeordnete Rolle und auf einen geplanten Wachstumsreglereinsatz konnte in den dünnen und durch Trockenheit gestressten Beständen gegebenenfalls besser verzichtet werden. Als relevanter Schädling traten regional Getreidehähnchen auf. Die Ernte erfolgte meist in der zweiten Augusthälfte, nach der verspäteten Ernte des Wintergetreides. Obwohl bei geringen Erträgen oft hohe Proteingehalte erreicht wurden ließen sich viele Partien nicht als Qualitätsweizen vermarkten. Ursache dafür waren vor allem die aufgrund der feuchten Witterung zur Abreife geringen Fallzahlen. Die verzögerte Ernte wirkte sich darüber hinaus negativ auf die Saatgutproduktion aus.

Ergebnisse der Landessortenversuche 2023

Aufgrund des nassen Frühlings konnten auch die nordrhein-westfälischen Landessortenversuche erst etwa 4-5 Wochen später gesät werden als üblich. Geprüft wurden insgesamt 6 Sorten und die Aussaat erfolgte an 3 Standorten: In Kerpen-Buir (Nörvenich) und auf Haus Düsse (Ostinghausen) am 19. April und in Blomberg-Siebenhöfen am 14. April. Die Saatdichte wurde auf 400 keimfähige Körner/m² erhöht. Bei nicht immer optimalem Feldaufgang aber noch ausreichender Bestockung entwickelten sich aufgrund von Trocken- und Hitzestress durchschnittliche Bestandesdichten von etwa 440-460 Ähren/m². Die Kornzahl/Ähre und die Tausendkornmasse blieben sowohl im Vergleich zum Winterweizen als auch zu den vorjährigen Sommerweizenversuchen gering. Daraus resultierten durchschnittliche Erträge von 44,4 dt/ha (Kerpen-Buir), 58,4 dt/ha (Haus Düsse) und 41,7 dt/ha (Blomberg). Aufgrund des bestands- und witterungsbedingt relativ geringen Lager- und Krankheitsdrucks hatten die intensiven Wachstumsregler- und Fungizidmaßnahmen in Kerpen-Buir und Blomberg keine positive Wirkung auf den Ertrag. Die feuchteren Bedingungen auf Haus Düsse ermöglichten bei reduziertem Pflanzenschutzeinsatz eine Mischinfektion mit Mehltau, Gelbrost, Blattseptoria und Braunrost. Diese führte zu durchschnittlichen Ertragsverlusten von 9%. Die Ernte erfolgte zwischen dem 16. und 23. August. Die durchschnittlichen Proteingehalte reichten von 12,5% auf Haus Düsse bis 15,8% in den Versuchen in Kerpen-Buir und Blomberg. Aufgrund der vorhergegangenen Niederschläge waren die Fallzahlen relativ gering und lagen bei einigen Sorten unter den Mindestanforderungen für eine Vermarktung als Brot- und Backweizen. Der Versuch in Blomberg hatte sich witterungsbedingt so ungleichmäßig entwickelt, dass ein statistisch abgesicherter Vergleich der Ertragsleistungen der Sorten nicht möglich war. Durch die gemeinsame Auswertung mit weiteren Landessortenversuchen aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hessen und die mehrjährige Verrechnung nach Hohenheim-Gülzower Methode lässt sich das Ertragspotential der Sorten unter nordrhein-westfälischen Anbaubedingungen dennoch zuverlässig bewerten.

Sortenempfehlungen

Auch wenn ältere Sorten wie Quintus, Licamero oder Servus nach wie vor bedeutend sind haben die Versuche zur Ernte 2023 das bereits in den letztjährigen Sortenempfehlungen beschriebene Potential der neueren Sorten bestätigt. Anders als bei einigen in den Vorjahren geprüften Sorten wurden für diese relativ große Saatgutvermehrungsflächen angelegt. Das höhere Ertragspotential, bessere Anbau- oder sicherere Qualitätseigenschaften sind entscheidende Argumente für einen Sortenwechsel. Bei den nachfolgenden Sortenempfehlungen ist zu beachten, dass die meisten Sommerweizen eher qualitäts- als ertragsbetont sind. Sorten mit einem nur als durchschnittlich beschriebenen relativen Proteingehalt liegen im absoluten Proteingehalt immer noch deutlich über den meisten Winterweizensorten.

KWS Jordum (B) erzielte in den nordwestdeutschen Versuchen zur Ernte 2023 stabil hohe Erträge und kann damit an die ebenfalls guten Ergebnisse des Vorjahres und der Wertprüfungen anschließen. Aufgrund der überdurchschnittlichen Standfestigkeit sowie der guten Blatt- und Ährengesundheit wird die Sorte bevorzugt empfohlen. Die Qualitätseigenschaften einschließlich der Fallzahlsicherheit sind als leicht überdurchschnittlich zu bewerten. KWS Jordum wird vom Züchter als Wechselweizen beworben und in den aktuellen Versuchen im nordwestdeutschen Anbauraum entsprechend geprüft.

Licamero (A) wird vor allem aufgrund der guten Erträge zur Ernte 2023 und der Wechselweizeneignung auch für die aktuelle Aussaat empfohlen. Die etwas frühere und eher bestandesdichtebetonte Sorte ist durchschnittlich standfest, zeigt allerdings deutliche Schwächen hinsichtlich der Blattgesundheit und Fallzahlsicherheit. Bei erhöhtem Befallsdruck sind entsprechende Fungizidmaßnahmen einzuplanen.

KWS Carusum (E) erreicht als qualitätsbetonte Sorte zwar nicht ganz das Ertragsniveau der anderen Sortenempfehlungen, kann bei mittlerer Lagerneigung aber durch die geringe Anfälligkeit gegenüber Mehltau, Gelb- und Braunrost überzeugen. Aufgrund der Qualitätsgruppe, des hohen Proteingehalts und der sicheren Fallzahl besteht gegebenenfalls die Möglichkeit einer höherpreisigen Vermarktung. KWS Carusum ist nach Angaben des Züchters ebenfalls auch für eine späte Herbstaussaat geeignet.

Patricia (B) erzielte letzt- und mehrjährig leicht überdurchschnittliche Ertragsleistungen. Die Sorte ist begrannt, langstrohig und relativ standfest. Patricia ist resistent gegenüber Mehltau, allerdings deutlich anfälliger für Gelbrost und Blattseptoria als KWS Jordum. Der Proteingehalt ist für einen Sommerweizen als durchschnittlich zu bewerten. Die nordwestdeutschen Versuche deuten darauf hin, dass die Sorte eine etwas geringere Fallzahlsicherheit besitzt als in der Beschreibenden Sortenliste dargestellt. Patricia wird ebenso wie die anderen Sortenempfehlungen auch als Wechselweizen beworben.

Winx (A) kann in den bisherigen Versuchen mit hohen und stabilen Erträgen überzeugen. Aufgrund der beschriebenen Lagerneigung und der erhöhten Anfälligkeit gegenüber den meisten Blattkrankheiten sollte allerdings ein an die Bestandesentwicklung und den Befallsdruck angepasster Wachstumsregler- und Funizideinsatz eingeplant werden. Die Qualitätseigenschaften liegen auf dem durchschnittlichen Niveau der anderen Sorten. Die Sorte besitzt nach Angaben des Züchters eine Wechselweizeneignung.

Als Wechselweizen hat sich in Versuchen zur späten Herbstaussaat zusätzlich die Sorte Broca (A) bewährt. Die Sorte ist im Vergleich zu Licamero oder KWS Jordum später im Ährenschieben und der Abreife. Broca ist deutlich kurzstrohiger als die vorgenannten Sorten und weniger anfällig für Blattkrankheiten als Licamero. Die Qualitätseigenschaften sind leicht unterdurchschnittlich. Bei einer möglichen Aussaat im (späten) Frühling sind im Vergleich zu den anderen Sorten geringere Erträge zu erwarten.

Quintus (A) und Servus (A) erzielen im Vergleich zu den aktuellen Sortenempfehlungen durchschnittlich 5-10% geringere Erträge bei bekannten und in der Beschreibenden Sortenliste dargestellten Anbau- und Qualitätseigenschaften. Bei vielen anderen in den Vorjahren geprüften Sorten ist die Saatgutverfügbarkeit inzwischen sehr begrenzt. Dennoch können auch diese oft noch eingeschränkt für den Anbau empfohlen werden. Sorten die weder in der Beschreibenden Sortenliste aufgeführt sind noch im nordwestdeutschen Raum geprüft wurden lassen sich hinsichtlich ihrer Ertragsleistung und Anbaueigenschaften nur begrenzt einschätzen und werden daher generell nicht für den Anbau empfohlen.

So früh wie möglich, so spät wie nötig

Wechselweizen lassen sich grundsätzlich relativ flexibel von November bis März säen. Der optimale Saatzeitraum liegt in den Niederungen zwischen Dezember und Februar. Aufgrund der im Vergleich zum „echten“ Winterweizen durchschnittlich höheren Auswinterungsneigung sollte in den Mittel- und Höhenlagen eine Aussaat in den besonders frostgefährdeten Monaten unterbleiben. Wechselweizen kann aber auch dort etwa 2 Wochen früher gesät werden als ein weniger winterharter Sommerweizen. Der Grundsatz „je früher, desto besser“ gilt vor allem insofern, als dass eine möglichst frühe Aussaat ab Februar bis März die Bestockung erhöht, die Vegetationszeit verlängert und insgesamt das Risiko für Trocken- und/oder Hitzestress während der ertragsbestimmenden Entwicklungsphasen reduziert. Der optimale Saattermin lässt sich dennoch nicht allein anhand des Kalenders bestimmen: Mindestens ebenso wichtig sind ein möglichst guter Bodenzustand und der Wetterbericht, denn im Vergleich zum Winterweizen reagiert Sommerweizen deutlich empfindlicher auf schlechte Aussaatbedingungen. Bei der Saattiefe gilt in einer Spanne von 2-4 cm grundsätzlich „je nasser, desto flacher“. Die optimale Saatdichte ist abhängig vom Standort, dem Saattermin und den Aussaatbedingungen: Bei einer Aussaat als Wechselweizen im späten Herbst werden Saatdichten von 360-400 kfK/m² empfohlen. Bei einer Aussaat in den Wintermonaten oder unter schwierigen Bedingungen sollte diese auf 400-450 kfK/m² erhöht werden. Bei einer Aussaat im Frühling gilt für die optimale Saatdichte „je später, desto höher“.  Saatdichten von 320-450 kfK/m² sind üblich. Die Stickstoffdüngung erfolgt häufig mit 2/3 zur Aussaat und 1/3 zum Ährenschieben. Die für den einzelnen Bestand erforderlichen Pflanzenschutzmaßnahmen orientieren sich an der Bestandesentwicklung, dem Unkraut-, Krankheits- und Schädlingsdruck, dem Witterungsverlauf und den Anbaueigenschaften der gewählten Sorte.

Autor: Johannes Roeb, Heinz Koch